Das Gesetz der großen Zahlen oder Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.
2010: 302km in 17 Stunden2011: 392km in 22 Stunden
Zitat aus meinem Bericht: „Und 2012? Da brauche ich glaube ich mal wieder eine Mountainbike-Tour, da kann ich mir dann für die 400km eine Woche Zeit lassen.“
Doch die großen Zahlen (400km und 24 Stunden) üben dann doch eine Faszination aus. Und bringen die Erkenntnis, dass 2 Stunden für 8km mehr keine wirklich erwähnenswerte Leistung ist. Also neue Daten für 2012: 440km (10 für jedes Lebensjahr) und 24h Fahrzeit. Als Ziel (um dem ganzen den Anschein von Sinn zu geben): Abends bei Manfred und Heike in Schwabach vorbeischauen und zum Frühstück bei Uwe und Thea am Starnberger See. Jetzt noch einen Freitag Urlaub zwischen Firmen- und privaten Terminen eingeschoben und auf gutes Wetter hoffen.
Doch: 15Grad Maximum, 90% Regenwahrscheinlichkeit und keine Sonne animieren nicht wirklich. Also Schieben auf unbestimmt. Doch Samstag morgen, strahlend blauer Himmel. Wetterradar sieht gut aus. Wieso habe ich eigentlich nicht von vorneherein den Samstag geplant? Zum Treffen mit Freunden am Sonntag abend kann ich wieder da sein. Und sogar Uwe persönlich zum Geburtstag gratulieren!
Also kurzentschlossen los. Kurz nach 9:00 Start. Stadtmitte, Fellbach, Kernen. Durchs Remstal aufwärts. Mittlerweile dichte Wolken in allen Grauschattierungen,aber auch blaue Stellen. Erinnerungen an Kloster Lorch und Joanas Mauer-Unfall (da steht jetzt ein Geländer, das leider nur in Richtung Fluss hilft). Schwäbisch Gmünd. Um 12:00 kurzer Regenschauer, stelle mich 5 Minuten unter. Doch nach 500m geht es heftig los, sieht nachhaltig aus. Also frühe Mittagspause nach noch nicht einmal 70km. 12:45 satt und trocken, auch von oben.
Aalen (knapp 90km), es klart zusehends auf. Die ganze Zeit Rückenwind, und zwar kräftig. Kocher abwärts. Limes-Museen an mehreren Stellen. Idyllisches Wörnitztal (130km), Null Autoverkehr. Sonne! Wieso habe ich eigentlich die Kamera zu Hause gelassen? Gunzenhausen (17:15, 160km, 1200HM) Kaffepause und Oldtimer-Rallye. Danach geht es steil hoch und runter. Tolles Wetter, toller Ausblick. 19:30, 200km, 1700HM in Schwabach. Snack und Kaffee bei Manfred und Heike. Danke!
20:30 wieder auf dem Rad. Und ich habe noch nicht mal die Hälfte hinter mir, fahre jetzt in die Nacht. Aber der Tag war toll, alles richtig gemacht. Timing, Sonne, Landschaft und dazu stundenlanger Rückenwind. Das ist wie ein Lottogewinn.
Kurz vor 9 SMS von Alina: „Papa, wir haben Joanas Konfirmanden-Vorstellungs-Gottesdienst morgen früh vergessen!“ Jetzt fällt mir auch wieder ein, wieso das Wochenende blockiert war. Wie konnte mir das passieren, steht alles dick im Kalender! Mist! Anruf bei Joana, es sei ihr nicht so wichtig. Trotzdem, mich plagt das schlechte Gewissen. In Nürnberg in den Zug? Kein Bock. Nach etwas hin- und her der Plan: Navi leitet mit nach Gunzenhausen, dann auf dem Hinweg zurück. Hat bestimmt auch Charme, die Strecke im Dunkeln rückwärts zu fahren. Um 9:00 muss ich in Kaltental sein, um vorher noch Duschen zu können. Mal sehen, ob das klappt. Soviele Pausen wie auf dem Hinweg kann ich dann nicht machen. Egal, hat ja eh nichts auf. Und die Geburtstagswünsche gibt es dann leider nur per Telefon.
Strecke bis Gunzenhausen zieht sich, weil ich einigen Feld- und Waldwegen ausweichen muss und das Navi eher nach schön als nach schnell navigiert. So verliere ich viel an Zeit.
Halb 12 in Gunzenhausen: Hunger. Danach kommt ewig nichts. Eine Pizzeria hat noch offen, lecker Linguine. Viertel nach 12 geht es dann auf die letzten 160km, in Summe werden es dann wohl 410. Beine funktionieren völlig automatisch, nicht arg viel Druck aber konstant. Wind ist zum Glück völlig eingeschlafen. Mit der Zeit kommt die Müdigkeit. Von 2 bis 3 läuft Musik vom Handy, hält wach. Ein Igel, ein paar Füchse und ein Hase heben den Adrenalinspiegel, Schnecken und Nachtfalter stören weniger. Der Igel wäre spannend geworden: Im Dunkeln zig Stacheln aus dem Reifen zu operieren…
Kurz nach drei: Noch 100km! Schon über 2600HM, mehr als die Planung per GPS-Route. Verflixt. Magen drückt, die Portion war etwas groß, kann ich jetzt nicht brauchen. Sternenhimmel, aufgehender Mond mit einem kleinen Stern als Bommelmütze. Klasse.
Kurz nach vier, erste Anzeichen der Dämmerung hinter mir. Um fünf kann ich das Navi wieder ohne Licht lesen. Ich schlafe schier ein, halte mich möglichst in Straßenmitte um nicht versehentlich einen Bordstein mitzunehmen. Sonne ist noch zu schwach, die Kälte kriecht mir in die Knochen. Die langsam besser werdende Sicht hilft.
Kurz nach 6 die erste bemannte Tanke in Schorndorf, schneller Kaffe und belegtes Brötchen, sonst wird die Zeit eng. Habe zuviel Zeit mit Entscheidung und Streckensuche verdaddelt. 6:45 wieder auf dem Rad, 375km, 35 to go, davon viel aufwärts. Wenn alles mitmacht, wird es bis 9:00 reichen.
8:00 Schlosspark: 400km! Melde mich zu Hause an, meine Mädels wähnen mich auf dem Weg nach Tutzing.
8:15 Stadtmitte: Reststrecke plus gefahrene KM ist kleiner 410, das geht gar nicht! Also fahre ich noch hoch zum Viadukt, um dann mit 412km nach 24 Stunden vor dem Haus zu stehen. 3350HM laut GPS, 22,8km/h Schnitt, 18h05 reine Fahrzeit. Kakao, Duschen und per Rad zur Kirche, mit dem Glockenläuten sitze ich. Nach über 400km ein ganz ordentliches Timing. Halte mich irgendwie wach, erst zu Hause lege ich mich für eine Stunde hin. Nach der Ruhe spüre ich erst die Strapazen: Knie und Hintern vom Fahren, Lippen von der Sonne, Augen von der Müdigkeit. Egal.
So, und jetzt google ich die nächste Tour. Von langen Straßenschindereien habe ich (für heute) die Nase voll. Auch wenn die 440km noch ausstehen. Dafür geht es in wenigen Wochen mit dem Bike in die Alpen. Mit Madritschjoch und Eisjöchl stehen Nr. 2 und 3 der höchsten per Bike befahrbaren (was auch immer das heißt, das Rad muss halt mit rüber) Alpenpässe auf dem Programm. Auf der Nr. 1, dem Chaberton (3136m) war ich schon. Und auch dann hoffen wir wieder auf gutes Wetter!