Ein paar Tage Auszeit und mit Lastenrad und Zelt zur Spezi in Lauchringen. Treiben lassen, mal sehen wo die Route mich hin verschlägt. So der Plan. Zwei weitere Fixpunkte gibt es: den Besuch bei Studienfreund Joachim in Luzern und die Schlußetappe nach Todtmoos zu einem langen Wochenende mit unseren Kaltentaler Freunden.
25.4. Tag 1 – Late Start
Ich komme anderthalb Tage später los als eigentlich geplant. Zu viel zu tun, oder vielleicht auch falsche Prioritäten? Die Strecke nach Dettingen fahre ich nicht das erste Mal, schaue da nach unserer „Baustelle“ und weil das alles länger dauert als geplant, entschließe ich mich spontan zu einer Übernachtung in den eigenen vier Wänden. Und genieße die örtliche Pizzeria inklusive einer Familienportion Tiramisu.
39,5km
26.4. Tag 2 – Start zum zweiten
Nach einer ruhigen Nacht starte ich so richtig, beim Bäcker gibt es Frühstück draußen bei 6°, aber schön! Über Bad Urach geht es zum Ermsursprung und durch die Trailfinger Schlucht auf die Alb ins Lautertal. Deja-Vu’s und Erinnerungen an meine Trans Germany 2019 gibt es bei St. Anna und in Jungingen, und nach knapp 115km reicht es für Tag 2. Das Zelt ist schnell vor einer Scheune aufgestellt, Abendessen gibt es ganz komfortabel auf einer Bank davor, und bald wird es draußen zu kalt. Nachruhe.
113,3km
27.4. Tag 3 – Deja vu
In der ersten Nacht draußen ist der Schlaf nicht so erholsam und mein Sommerschlafsack ist für die Temperaturen grenzwertig, früh bin ich wach und sitze ohne Frühstück auf dem Rad. Um 7 Uhr gibt es dann Frühstück beim Bäcker in Balingen.
Die Kilometer von gestern (und die 1700HM) spüre ich in den Beinen. Vor allem wenn wie in Gosheim eine 18% Steigung wartet. Da kommt die Flachetappe durchs Donautal genau recht, die Donauversickerung ist jetzt (bei meinem dritten Besuch) erstmals nicht trockenen Fußes zu durchqueren und die Holzbrücke in Immendingen erinnert an unsere Familienradtour in 2004. Dann geht es gemütlich und bei tollstem Sonnenschein entlang der Aitrach fast unmerklich aufwärts. Die Aitrach hat keinen natürlichen Ursprung, Wasser aus verschiedenen Entwässerungsgräben wird gesammelt und im Bifurkationsbauwerk je nach Menge entweder in die Aitrach geleitet und landet damit über die Donau im Schwarzen Meer. Oder in einen kleinen Bach gelenkt, dann in die Wutach, und damit in Rhein und Nordsee. Der Wutach werde ich morgen auch bis Lauchringen folgen.
Nachdem ich aber schon kurz nach vier im Hotel bin (nach zweieinhalb Tagen auf dem Rad ist Wäsche angesagt), reicht es noch für eine Extrarunde ohne Gepäck, mit Blick auf die Wutachtalbahn hinunter an die Wutach und einen Blick in die Schlucht.
115km
28.4. Tag 4 – Wutach
Auf Sonnenschein folgt Regen. Bin froh, dass ich die letzten beiden Tage schon etwas „vorgearbeitet“ habe, und versuche den stärksten Regen beim Frühstück auszusitzen. Nicht so richtig erfolgreich. Für große Pausen ist das Wetter nicht sehr einladend, so komme ich zeitig in Lauchringen an und nachdem es nachts nochmal schütten soll, suche ich spontan ein Motel statt der gebuchten Camping Wiese. Hier steht mein Rad in bester Gesellschaft direkt vor der Zimmertür.
Morgen beginnt die Spezi. Bin gespannt, was es nach so langer Abstinenz zu sehen gibt. So viele Lastenrad-Hersteller waren es neben Dreirädern, Liegerädern und Velomobilen wohl noch nie.
60km
29.4. Tag 5 – Spezi
Schon der Gang über den Fahrrad-Parkplatz auf der Spezi (treffend „Wall of fame“ genannt) zeigt die Vielfalt: Velomobile und Liegeräder, Falt- und Kompakträder, Lastenräder jeder Größe, 2-, 3- und 4-Räder mit und ohne Motor, für den Antrieb per Bein oder Hand (oder beides), mit Kurbeln oder ohne, zu Lande, zu Wasser und…. stop.
Viel Zeit für tolle Gespräche mit Herstellern, Händlern, Erfindern und vielen anderen Enthusiasten und zufällig/erwartet ein Wiedersehen mit Stuttgarter Freunden. Bei toller, entspannter Atmosphäre, und Live-Musik bis in die Nacht. Und auf der Camping Wiese, auf der ich mich dann eingerichtet habe, noch etwas länger 🙃.
10,3km
30.4. Tag 6 – Luzern
Tag 2 der Spezi, ich bin unterwegs in die Schweiz zu Joachim. Frisch ist es, und die Wolken hängen tief, aber die Strecke Richtung Alpen ist landschaftlich schön und durch das von Gletschereis geformte Seetal auch gut zum vorankommen. Es bleibt trocken, bis ich in Luzern ankomme. Der Abend vergeht schnell, es gibt viel zu erzählen und viele Erinnerungen an gemeinsame Touren mit dem Rad zu Studentenzeiten.
89,2km
1.5. Tag 7 – Regentag
Start in die neue Woche, es geht mit Nieselregen los. Stundenlang. Gut, wenn bei einer frühen Pause im Café auf der Toilette die Heizung läuft und die Klamotten etwas trocknen können. 🙃. Erst ab Mittag wird es etwas heller und die nassen Sachen trocknen endlich. Auch zurück nach Deutschland folge ich dem flachen Seetal, diesmal etwas weiter westlich entlang des Sempachersees. Doch auf den letzten Kilometern muss ich von der Aare zum Rhein, hier geht es heftig bergauf. Und über den letzten Anstieg, den Tiersteinberg, erwischt mich zu guter Letzt ein heftiger Schauer mit Hagel. Das war es dann mit den trockenen Sachen, und so gönne ich mir in Bad Säckingen doch ein Hotel zum Trocken legen.
98,1km
2.5. Tag 8 – Rheintal
Über dem Schwarzwald hängen noch etwas die Wolken, so fahre ich das erste Stück durch das Rheintal und quere dann über die südlichen Schwarzwald-Ausläufer nach Weil am Rhein. Ein kurzer Abstecher zum Vitra Museum und dann ist endlich Zeit für kurze Hosen! Entlang des Rheintales läuft es fast von alleine, bis ich bei Bad Bellingen einen Zeltplatz finde … 😀
73,2km
3.5. Tag 9 – Bergetappe
Nach kalter Nacht ziert sich die Sonne noch etwas, aber als ich in Heitersheim das Rheintal Richtung Schauinsland verlasse, wird es wärmer. Bis Obermünstertal geht es gemütlich bergan, aber nach der Kuchen-Pause steigt es für fast 500HM mit ziemlich konstant 10-12%. Die letzten Kilometer vor dem Schauinsland Gipfel werden zum Glück flacher, aber auch so spüre ich die 1000HM am Stück und vertrete mir auf dem Gipfel etwas die Beine. Die tolle Schwarzwald Szenerie und das Wetter motivieren, und ich nehme noch Kurs auf den Feldberg. Erinnerungen an die Westweg-Befahrung… kommen auf, den Weg unterhalb des Gipfels durfte ich damals bergab genießen 😉. Wetterbedingt habe ich den Gipfel damals ausgelassen, heute nehme ich den Umweg mit und genieße den Rundumblick, bevor ich es hinunter zum Schluchsee laufen lasse. Schlafplatz für heute: das Naturcamp in Aha am Westende des Schluchsees. Nach dem gestrigen Luxus-Campingplatz mit jeglichem Komfort (Inklusive Musik im beheizten Wasch – Bereich) dann heute das Kontrast Programm mit einfachsten Sanitär-Einrichtungen. Für mich als Warmduscher aber wichtig : es gibt warmes Wasser 😉.
Nachdem der Biker-Imbiss in Aha schon zu hat, fahre ich zum Abendessen noch an das Ostufer und komme in der Dunkelheit wieder am Zeltplatz an.
93,9km
4.5. Tag 10 – Tagestour
Der heutige Plan : eine Tagestour mit leichten Gepäck. Nach Luxus-Frühstück mit löslichem Kaffee und Duplo-Brötchen geht es nach Rothaus zum Quellgeist (sorgt der Legende nach für das Wasser und den Geschmack der Tannenzäpfle) , zum Hüsli (bekannt aus der Schwarzwald-Klinik) und dann steil bergab zum Schwarzasee. St. Blasien lockt mit Pause (und Dom) und dann stehen zwischen mir und dem Camping Platz nur noch ein paar (hundert) Höhenmeter Straße. Die Motorrad-Fahrer haben bergauf schon Kurven-Spaß, bei mir kommt er bergab 😀. Und heute hat sogar noch der Imbiss auf. Etwas komisch macht sich das Lastenrad unter den vielen PS- und Dezibel- starken Motorrädern schon aus. Und nach dem Essen reicht es auch noch für einen Mond-Spaziergang zum See.
53km
5.5. Tag 11 – Ankunft
Ziel für heute, und auch für die gesamte Tour: Todtmoos, für ein langes Wochenende mit guten Freunden. Eine kurze Etappe, wider erwarten reißt es auf und die Sonne kommt raus. Die Menzenschwander Wasserfälle liegen fast am Weg, und der Pfad durch den Zauberwald im Oberlehener Moor ist ein lohnenswerter Abstecher zum Beine Vertreten. Und bis dann pünktlich um 16:40 das angekündigte Unwetter kommt, bin ich angekommen und geduscht👍.
32,7km
Fazit:
Anderthalb Wochen unterwegs, tolle Landschaften, nette Begegnungen und viel frische Luft. Und für mich ganz ungewohnt: ohne durchgeplante Route unterwegs zu sein. Abends die grobe Route und das Ziel für den nächsten Tag zu bestimmen, hat mich anfangs mehr unter Druck gesetzt, als ich vermutet habe. Und die Freiheit dann auch zu nutzen, an jeder Kreuzung entscheiden zu können ob links oder rechts, hat auch nicht von Anfang an geklappt. Eine besondere Erfahrung, die ich erst lernen musste zu genießen.