Dienstag, 2019-09-03
Retrospektive
Heute vor einer Woche bin ich nach meiner Solo Transgermany heimgekommen. Alles ist gewaschen und fertig für die nächste Tour, nur das Rad braucht noch ein paar Ersatzteile und Pflege. Ich bin auch soweit wieder fit, nur die tauben Finger melden sich nach wie vor (oder eher nicht).
Gibt es ein nächstes Mal? Wahrscheinlich. Vielleicht mit mehr Muße an schönen Stellen zu verweilen. Nicht nur durch die Landschaft zu reisen, sondern noch mehr in ihr. Auch wenn das ganze (zumindest für mich) nicht als Rennen geplant war, die feste Route und ein zwar großzügiges, aber doch begrenztes Zeitfenster haben etwas Druck aufgebaut, und dadurch auch Muße und Gelassenheit fehlen lassen.
Vielleicht würde ich auch die Route anders planen. Die TransGermany ist perfekt für Graveller und Bikepacking. In der Kombination von Schotter und auch anspruchsvolleren Wegen mit ein paar Singletrails kann man lange Distanzen abseits des Verkehrs zurücklegen. Und während die Stollenreifen die Möglichkeiten von Rennrädern erweitern, ist das beladene starre Rad für mich, der normalerweise mit 150mm Federweg unterwegs ist, eine Einschränkung und limitiert den Spaß auf den Trails. So würde ich wahrscheinlich das nächste Mal entweder auf einen ähnlichen Wegemix setzen, aber mir mehr Zeit für Sightseeing und spontane Routenwahl nehmen. Oder aber den Spaßfaktor auf mehr und anspruchsvollere Trails erweitern, und dafür mit reduziertem Gepäck und Fully fahren.
Egal wie, die nächste Tour würde ich nicht unbedingt alleine fahren wollen. Die digitalen Kommunikationsmittel wie Mail, Messenger und Instagram lassen fast jederzeit den Kontakt zur Zivilisation, zu Freunden und Familie zu. Den Moment aber mit jemandem zu teilen, der mit dabei ist, das gleiche erlebt, ist einfach etwas anderes und viel befriedigender.
Was bleibt?
Stolz. Stolz, die ganze Route geschafft zu haben. Alle 1642km der Originalroute, und 1900km mit allen meinen Umwegen und Besuchen auf dem Heimweg. Die TransGermany ist wie eine Wundertüte, man weiß nie was als nächstes kommt. Genussvolles dahinrollen auf Schotter und Asphalt, Spaß auf Trails, aber auch der Kampf auf Sand, Kopfsteinpflaster oder Betonplatten. Sonnenschein und Regen. Steigungen an der Fahrbarkeitsgrenze oder auch darüber hinaus, mal die Zunge auf dem Oberrohr und mal den Hintern auf dem Hinterrad. Blicke bis zum Horizont, oder bis zur nächsten Kurve. Absolute Einsamkeit, und dann doch wieder mitten rein in die Zivilisation.
Befriedigung. Befriedigung, die Stunden mit Zweifeln (schaffe ich es?), Null Motivation (müde Beine, Schmerzen, schlechtes Wetter, langweilige Passagen. Oder alles zusammen) oder Problemen (technisch, physisch oder mental) überstanden zu haben. Und dieses Gefühl der tiefen Befriedigung beantwortet auch die Frage, wieso ich das ganze eigentlich machen wollte.
Erinnerungen. Erinnerungen an unberührte Natur, tolle Blicke, einsame Seen, Sonnenaufgänge über den Bergen. Und an kulturell und historisch bedeutsame Plätze, lebendige Städte und verschlafene Orte. Und die Erkenntnis, dass man nicht um die Welt fliegen muss, um fantastische Orte zu sehen.
Dankbarkeit. Dankbarkeit für die Menschen, die ich unterwegs getroffen habe. Meinen Warmshowers Gastgeber in Erlangen. Der Bäckermeister Frank. Der „Guide“ an der Burgkapelle Stein. Der Wirt der eigentlich geschlossenen Pension in Hranice. Marcos Empfehlungen im Trailcenter Rabenberg. Der Bikeshop in Olbernhau, der zu Ladenschluss noch schnell meine Nabe checkt. Die Rennradler, die mich auf dem Rückweg vom Kap Arkona in die Mitte nehmen. Oder auf dem Rückweg das Picknick mit der französischen Familie auf dem Bahnsteig. Und viele, viele Begegnungen mit Wanderern, Radfahrern und anderen mehr. Manchmal reichen nur ein paar freundliche Worte, um die Stimmung zu heben.
Und natürlich mein Freund Axel, der mich einen Morgen lang begleitet, trotz Mistwetter. Und nicht zuletzt meine Frau Gina, die mich trotz der Angst vor einem größeren Sturz alleine ziehen lässt.
Danke an Euch alle!