»Eines Tages, Baby, werden wir alt sein, oh Baby, werden wir alt sein und an all die Geschichten denken, die wir hätten erzählen können.«
Julia Engelmann
Intro
Weltumradler, Abenteurer, Traveller. Bücher-Regale und Internet sind voll von Berichten und Blogs, die ich fasziniert verschlinge. Die Realisierung? Bleibt im Konjunktiv. Als dann im Frühsommer 2019 klar wird, dass ich mit einem Jobwechsel die Chance auf ein paar Wochen Auszeit habe, wird der Konjunktiv Realität: 4 Wochen im August kann ich mir freispielen, um Geschichten zu erleben.
Für eine Weltumradlung wird weder Zeit noch Abenteuerlust reichen. Ich bin ja überzeugt davon, dass jeder Mensch zum Glücklich sein eine Herausforderung braucht. Aber auch davon, dass der „persönliche“ Level an Herausforderung extrem individuell ist. Für den einen kostet es schon Überwindung, morgens den dicken Zeh unter der warmen Bettdecke herauszustecken und mit dem Rad zur Arbeit zu fahren. Für den anderen ist die Übernachtung unter freiem Himmel mitten im Dschungel täglich Brot und nichts Besonderes. Mein persönlicher Level liegt wohl irgendwo dazwischen (na gut, vielleicht eher auf der Seite der warmen Bettdecke).
So fällt die Streckenwahl für meine Geschichten auf die Route der Bikepacking Transgermany, einem selbstorganisierten MTB-Etappenrennen knapp 1700km quer durch Deutschland, von Basel nach Rügen ans Kap Arkona.
Die schnellsten standen dieses Jahr nach unglaublichen 5 Tagen und 2 Stunden am Kap Arkona, haben aber wohl von der unglaublichen Landschaft nicht viel mitbekommen. Ich will mir etwas mehr Zeit nehmen, plane neben dem Mountainbiken abseits von Straßen in der Natur aber auch mal Abstecher in die Zivilisation, etwas Kultur und Sightseeing genießen und neben Übernachtungen unter freiem Himmel auch den Luxus von Hotels und Essen, das nicht aus der Tüte kommt.
Da ich auf dem Rückweg per Bahn noch meine Verwandtschaft in Norddeutschland und Joana in Holland besuchen will, plane ich drei Wochen für die Strecke. Macht 80km am Tag und 20.000HM in Summe, das klingt nicht dramatisch. Aber mir fehlt völlig die Erfahrung, was ich mit einem vollbepackten Bikepacking-Rad täglich schaffen kann. Und wenn ich an die Touren vor der Haustür denke, und wie fertig ich oft schon nach 50km ohne Gepäck bin, bin ich sehr gespannt.
Meine persönliche Herausforderung? Tag für Tag auf dem Rad, Kilometer um Kilometer. Alleine. Kann ich mich dazu motivieren? Hält der Körper die Belastung aus? Jeden Tags aufs neue die Fahrt ins Blaue und die Frage, wo ich eine Unterkunft und etwas zu essen finde (nicht umsonst heißt es zur Trans Germany bei Bikepacking.com „connecting existing biking and hiking trails to traverse Germany through sparsely populated areas“). Macht das Wetter mit, oder fahre ich tagelang im Vollschiff? Und wie anspruchsvoll ist die Strecke, komme ich schnell genug voran? Hält das Material?
Der Wege-Mix verspricht zwar 70% abseits vom Asphalt, aber einen nicht besonders hohen Anteil von 15% Singletracks. Wenn auch die mir bekannten Teile der Strecke auf der schwäbischen Alb mit einem Fully komfortabler und spaßiger zu fahren sind, bekommt mein starres Müsing für die Tour ein Update. Gepäcktransport und die langen Schotterstrecken sind damit einfach leichter zu bewältigen.
Pünktlich zur Abreise gibt es noch letzte Anpassungen, die Gepäckaufteilung wird optimiert und los geht es…
Tag 1, Dienstag 2019-08-06
Foto diary
Story of the day: Elektronik
Los geht es… Wirklich? Nachdem ich zwar mit dem Rad noch eine kurze Testfahrt gemacht habe, aber nicht wirklich in realen Einsatzbedingungen, ist die Spannung groß ob ich an alles gedacht habe. Wer seinen ganzen Hausstand mit hat, hat auch genügend Potenzial irgendwas zu vergessen. Oder für technische Probleme. Oder, oder, oder…
Doch mit was ich nicht gerechnet habe: Schon am Bahnhofsplatz in Basel am Badischen Bahnhof habe ich Probleme mit meiner Openandromaps-Karte auf dem Handy. Sie lässt sich nicht genügend zoomen, so dass die ganzen kleineren Wege und Sträßchen nicht zu sehen sind. Nach einigem Testen wird schnell klar: Die großen Openandromaps-Kartendownloads (North, Mid, South) haben laut Webseite zwar eine „hohe Detaillierung“, hoch ist zum Mountainbiken aber nicht hoch genug.
Durch den Rheinhafen navigiere ich mich so mehr schlecht als recht. Erstmal auf dem Rheinuferweg angekommen, kann man so viel nicht falsch machen. So fahre ich bis Laufenburg, wo mir ein Gewitter gerade recht kommt: Pause. Im Cafe frage ich nach Strom und WLAN und nutze beides ordentlich aus: Der Kartendownload der Bundesländer ist bewährt, zeigt alle Details und zumindest die Baden-Württemberg-Karte kann ich runterladen, während ich den Regen bei Kaffee und Kuchen aussitze.
Erstes Problem gelöst. Das macht eindringlich den Sinn von einer „richtigen“ Probefahrt klar, und zeigt vor allem auch die Abhängigkeit von den elektronischen Helferlein. Nicht dass ich die Papierkarten der 1800km in 1:25.000 hätte schleppen wollen, aber kein Strom –> keine Karte. Und mir schwant schon, dass das nicht das letzte Handy-Problem auf der Tour sein wird.
Für die, die mehr wissen wollen: Klapp die Full Story und die Statistik aus!
Full story – The extended Instagram diary
7:05, Start zu Hause, Ziel Bahnhof Stuttgart. 7:59 fährt die Bahn zum Badischen Bahnhof in Basel.
Start 12:15 in Basel. Es geht los!
Erster Schock: Die Openandromaps auf dem Handy haben nicht die nötige Detaillierung, die ganzen kleinen Wege fehlen. Da muss ich mir schnell was überlegen, so komme ich nicht nach Rügen.
Quere die Brücke in die Schweiz, Schwimmer im Rhein. Die Umleitung im Hafen und auch am Rheinuferweg ist aufgrund der fehlenden Details der Karte schwierig zu finden, ich quere irgendwo im Hafen die Bahnstrecke auf einem nicht ganz offiziellen Übergang, und an anderer Stelle stehe ich plötzlich vor einem Kran, der gerade ein Lastenschiff entlädt. Habe ich wohl igendwo ein Sperrschild übersehen.
An einigen Stellen biege ich vom Rheinuferweg auf den Eurovelo 15, viele Tourenradler sind dort Richtung Bodensee unterwegs. Wetter wird sonniger.
Doch dann geht der Rheinuferweg so richtig los: Viele tolle Kilometer direkt neben dem Wasser. Berühmt: Die „Fischergalgen“ und die Grenzbefestigungen.
Nachdem es zu regnen und zu gewittern beginnt, mache ich eine Pause in Laufenburg. Nach Kaffee, Kuchen, Cola und intensiver Nutzung von Strom (zum Laden) und WLan (für den Kartendownload) geht es weiter.
Während ich an einer der Grenzbefestigungen ein Foto mache, höre ich nur ein Rutschen und ein hohes „Pling“, als die Bremsscheibe einen unbeweglichen Gegenstand trifft, gemeinhin bekannt als Sandstein. Und klar, war verbogen. Nichts, was nicht mit brutaler Gewalt zu richten wäre, aber völlig unnötig. Ich dachte, ich hätte das Rad sicher abgestellt, aber entweder ist ein Schmetterling auf MEINEM Sattel gelandet und hat es aus dem Gleichgewicht gebracht, oder die Erde hat sich plötzlich ein Stück weitergedreht, wie der Minutenzeiger einer Uhr 😉.
Die nächsten Kilometer waren ein schöner Mix aus Trails und breiteren Wegen entlang des Rheins bis Waldshut, und dann Wutach aufwärts.
Viele Orte und viel los auf dem Weg, und kein einsamer Platz zum Übernachten direkt am Wasser. Fahre deshalb ein paar hundert Meter weg vom Fluss, um eine ruhige Stelle zu finden. Und nach 80km ist dann Schluss für heute, ich finde einen netten Biwak-Platz, trocken weil überdacht, einsam und als besonderer Luxus: Eine Chemie-Toilette 😉
Gute Nacht!!!
Statistik
Basel – Lauchringen (Biwak unter Brücke)
KM: 81,1km (plus 8km zum Bahnhof in Stuttgart), Ø 15,9km/h
Zeit: 12:15-19:30, 5h05 in Fahrt
Höhe: +400, -270HM
Tag 2, Mittwoch 2019-08-07
Foto diary
Story of the day: Deja Vu, und nochmal Elektronik
Deja vu.
So geht es mir, als ich ins Donautal komme und hinter Möhringen die Schilder zur Donau-Versinkung sehe. Erinnerungen werden wach an eine unserer 3-Generationen Familienradtouren. Kurz entschlossen nehme ich den Weg zur Versinkungs-Stelle, bei dem Wetter ist niemand unterwegs außer mir. Auch das ein Deja vu, 2004 hat es den ganzen Tag geregnet. Joana hing mit dem Trailerbike bei mir am Rad, bis zu den Knöcheln wasserdicht eingepackt in Irmas lila Regenjacke. Und nachdem sowieso alle nass waren, hatten die Kinder einen Riesen Spaß, zu Fuß durch die (fast) trockene Donau zu planschen. Diesmal ist der Wasserstand sogar noch niedriger, ich komme trockenen Fußes ans andere Ufer.
Schön, wenn sich die Wege nach so langer Zeit wieder kreuzen und die Erinnungen wieder wach werden.
Elektronik…
Schwante mir nicht was zum Thema Probefahrt und Handy? Das Regenwetter zeigt, dass die Handy-Navigation für die Outdoor-Anwendung nicht immer optimal ist. Auch wenn das Handy selbst wasserdicht ist: Laden soll man es im Trockenen. Schwierig, wenn man unterwegs immer wieder Saft braucht. Eine Plastiktüte schützt zwar notdürftig, aber ist wenig praktisch. Bedienen des Touch-Displays geht damit auch nicht. Ist aber auch egal, weil der Fingerabdrucksensor mit den nassen Fingern auch nicht reagiert, wie er soll. So kostet das Navigieren viel Zeit, immer wieder halten und das Handy entsperren ist nervig und bei den Temperaturen auch wenig angenehm. Aber fast noch schlimmer: Die Zweifel, ob das Handy die Nässe auf Dauer aushält.
To be continued…
Full story – The extended Instagram diary
Die Nacht war fast trocken, nur ein paar gelegentliche Regentropfen und Gewitter. Ein paar Regentropfen beim Kaffee kochen, aber als ich um 7:30 starte ist es trocken.
Zwei Bikepacker überholen mich, als ich einen Platten flicke (dran denken: TESA ist kein gutes Felgenband. Die scharfe Kante schlitzt auf Dauer den Schlauch auf).
Nach Eberfingen endet die flache Strecke entlang der Wutach, auch das trockene Wetter hört auf, und es wird steil. Und schmal. Und rutschig. In der Schlucht treffe ich die Bikepacker wieder, beide haben massive Probleme, mit den profillosen Rennschuhen die schweren Räder über die rutschigen Felsen nach oben zu wuchten. Thomas and Sascha sind auf der gleichen Strecke wie ich, und eine Weile fahren wir zusammen. Ich versuche es zumindest, beide sind etwas zügiger unterwegs. An einer Kreuzung sind sie außer Sicht, ich kämpfe mit dem Handy (Touchscreen, Fingerabdrucksensor, Regen und eine Plastiktüte als Wetterschutz ist keine gute Kombination), nehme die falsche Abzweigung und weg sind sie. Gutes Gelingen!
Nach 60km bin ich leer gefahren, es ist zu nass und kalt für eine Pause draußen, für ein Cafe fahre ich einen größeren Umweg. Und das Wetter klart langsam auf! Im Cafe wärme ich mich auf, fülle Kalorien nach und genieße den Blick auf den Bodensee, schwach am Horizont zu erahnen.
16:00, es geht wieder los. Trocken! Die Route führt mich zur Donau-Versinkung bei Möhringen, wo die Donau in das Karst-Höhlen-System versinkt und erst 12km weiter in der Aach-Quelle zum Vorschein kommt. An vielen Tagen im Jahr ist die Donau hier komplett trocken. Schöne Erinnerung: Vor vielen Jahren haben wir eine Familien-Radtour an der Donau gemacht, Joana noch auf dem Trailerbike. Mit ihrer Erwachsenen-Regenjacke, knall-lila und bis zu den Knöcheln, watete sie mit Alina durch die fast trockene Donau, von oben patschnass durch den Regen.
Der gleiche Regenguss erwischt mich in Tuttlingen, auf der Suche nach einem Bike-Shop zum Richten der Bremsscheibe. Und einem Zimmer, um mich selbst wieder zu richten.
Statistik
Lauchringen – Tuttlingen (Hotel)
KM: 86,7km, Ø 12,2km/h
Zeit: 7-30-18:30, 7h00 in Fahrt
Höhe: +1530, -1260HM
Tag 3, Donnerstag 2019-08-08
Foto diary
Story of the day: Die Qual der Wahl
Da kommen sie, die Gedanken, ob ein ungefederte Rad das richtige für mich und diese Tour ist. Aus Budget- und Platzgründen habe ich mein altes 26″ Rad umgebaut, wissend, dass die kleinen Räder ohne Federung definitiv nicht ganz optimal sind. Weder im Gelände, noch auf langen Straßenetappen. Aber lange habe ich überlegt, ob ich nicht das Fully nehme. Vom Mountain Biken kommend, ist ein Gravelbike für mich keine Erweiterung der Möglichkeiten wie für die Rennradfraktion, sondern eine Kastration dessen, was mit dem Rad am meisten Spaß macht: Trails in anspruchsvollem Gelände.
Aber auf einer Solo-Bikepacking-Tour liegen die Prioritäten anders: Lange Schotter- (und auch mal Straßen)-passagen brauchen ein Rad, das vernünftig rollt. Der Trail-Anteil ist nicht so extrem hoch und der Fokus liegt auf gesund und sturzfrei ankommen, nicht auf maximalem Abfahrtsspaß. Und nachdem das Fully neben der Grenze des Fahrbaren vor allem aber auch die Geschwindigkeit kurz vor dem unfreiwilligen Abflug dramatisch erhöht, habe ich die Wahl bisher nicht bereut. Den Charakter der Wege hier auf der Alb kenne ich ja gut, bin gespannt, ob sich die Wahl auch für die Trails entlang der tschechischen Grenze bewährt.
Full story – The extended Instagram diary
Um 8:30 verlasse ich Tuttlingen (ich genieße das Frühstück im Hotel, das dauert etwas länger) und verlasse das Donautal, klettere langsam und stetig auf die Höhe. Je weiter ich auf die Schwäbische Alb komme, desto rauher und steiler werden Landschaft und Steigungen.
Von Denkingen habe ich einen wundervollen Blick ins Neckartal, bis rüber nach Rottweil, wo der Thyssen Aufzugs-Test-Turm weihin sichtbar ist.
Das Highlight kommt aber noch: Die Traufgänge um Albstadt, Wanderwege direkt am Albtrauf mit großartigen Weitblicken.
Obligatorisch: Das Foto von Schloss Hohenzollern vom Zeller Horn aus, erster Checkpunkt für die Rennteilnehmer des Transgermany. Die Route führt östlich in einem Bogen um das Schloss, immer wieder Blicke auf den Burghügel. In Jungingen besorge ich etwas für das Abendessen, und nehme den Anstieg zum Köhlberg in Angriff. Biwak in der Hütte zwei Stunden später, mit Blick auf Hohenzollern im Sonnenuntergang.
Statistik
Tuttlingen – Jungingen (Biwak Hütte)
KM: 93km, Ø 12,0km/h
Zeit: 8:25-19:10, 7h10 in Fahrt
Höhe: +2100, -1900HM
Tag 4, Freitag 2019-08-09
Foto diary
Story of the day: Bilanz
Auch wenn das Ziel der Tour das Entdecken von neuen Pfaden ist, auf ins Unbekannte, ist es schön nach ein paar Tagen wieder bekannte Trails zu sehen. Und nach den Tagen ohne Gesellschaft freue ich mich auch auf den kommenden Tag, gemeinsam mit Axel ein paar Kilometer zurückzulegen.
Die ersten vier Tage haben gut geklappt. Keine größeren Defekte, das Material funktioniert wie geplant. Die Probleme mit den Karten und der Bremse konnte ich lösen. Sorge macht mir nach wie vor die Elektronik. Aber auch dafür werde ich dann hoffentlich eine Lösung finden.
Tolle Landschaften und schöne Wege, die Routenführung ist bisher wie für das starre Müsing gemacht.
Was noch kommt? Lasse ich auf mich zukommen.
Full story – The extended Instagram diary
Nach einer kurzen nächtlichen Diskussion, wer in der Hütte schläft und wer draußen (wieder mal ein Deja Vu, aber diesmal habe ich gewonnen), war das heute der Tag der Schlösser: Hohenzollern (zum Aufstehen), Lichtenstein (zweites Frühstück), Hohenurach (spätes Mittagessen in Bad Urach), Hohenneuffen (auch wenn es nicht auf der Route liegt: den steilen Kopfsteinpflaster-Anstieg musste ich aus sentimentalen Gründen hoch, in Gedenken an meinen zweiten Bikepacking-Overnighter ). Und dann die Burg Teck, Ziel für morgen früh. Immer wieder komme ich an Stellen vorbei, die ich von früheren Touren kenne. Gibt ein Gefühl von Heimat. Da für die Nacht einerseits Regen angesagt ist, und Axel morgen für eine Teil-Etappe vorbeikommt, suche ich mir im Lenninger Tal ein Hotel. Vorher finde ich noch einen Bike-Shop, und besorge eine neue Bremsscheibe (das Richten war leider bisher nicht erfolgreich) und lege noch eine Reparaturstunde ein.
Statistik
Jungingen – Brucken (Hotel)
KM: 78km, Ø 13,1km/h
Zeit: 8:00-16:55, 6h00 in Fahrt
Höhe: +1470, -1930HM
Tag 5, Samstag 2019-08-10
Foto diary
Story of the day: Katastrophen
Ginas größte Sorge ist, dass ich irgendwo auf einer der Solo-Touren stürze und dann weit ab vom Schuss hilflos liegen bleibe. Auch wenn ich auf Solo-Touren anders und mit viel größeren Sicherheitsreserven fahre, zeigt der heutige Tag: Ein Risiko bleibt.
Und meist sind es gar nicht die schwierigen und gefährlichen Stellen, sondern Unachtsamkeiten auf vermeintlich harmlosen Strecken. So auch der Sturz heute: Beim Versuch, während des Fahrens aufs Navi zu schauen (ich weiß, soll man nicht tun. Weder im Auto noch auf dem Bike), übersehe ich eine Rinne, die der Regen von heute Nacht auf dem breiten Schotterweg hinterlassen hat. 45° diagonal über den Weg und genau so tief und breit, dass das 26″ Vorderrad saugend reinpasst. Ob ein 29er drüber gerollt wäre? Vielleicht 😉
Lessons Learned: Was fürs Trinken gilt „Drink or drive“ gilt genauso für das Handy: „2 Augen auf dem Trail“.
Full story – The extended Instagram diary
Für die nächsten 40km wird mich Axel begleiten, um meine Motiviation aufrecht zu erhalten und mir ein Gesprächspartner (abgesehen von den Kühen) zu sein. Axels Kommentar: „Eine Herde Kühe und ein Hornochse“.
Die steile Rampe zur Burg Teck kenne ich, deswegen bin ich ganz froh, dass es nicht bis ganz hoch auf den Gipfel geht. Und zum Glück sind die angesagten Regenfälle schon weitgehend nachts runter gekommen, so können wir die Blicke auf die Ruine Reußenstein und Schloss Hohenstaufen in der Entfernung besser genießen.
Mit Axel verlässt mich gegen mittag auch mein Glück: Während ich das GPS checke, schon bevor ich stehe, übersehe ich eine tiefe Wasser-Rinne von den nächtlichen Regenfällen. Mein Vorderrad findet sie. Etwas Haut auf dem Weg und ein verbogenes Ausfallende sind die Opfergaben für meine Blödheit.
Nach kurzer Reparatur an Mensch und Maschine geht es hinter Gingen steil und gemein bergauf. Die Hoffnung: etwas weniger Steigungsprozente auf den nächsten Kilometern.
Und so kommt es auch, es wird mehr wellig statt steil. Aber dafür geht es jetzt über den Gipfel jedes einzelnen Hügels. Über jeden! Und davon gibt es viele. Und keiner davon hat ein Gipfelkreuz oder zumindest einen Namen!!!😉
In Treffelhausen unterhalte ich mich nach dem Mittag mit einem Anwohner, der von zwei Bikepackern erzählt, die morgens durch den Ort gekommen sind. Thomas and Sascha? Wahrscheinlich, passt zu ihren Plänen von 100km pro Tag im Vergleich zu meinen 80. Und bei den gelegentlichen Bikespuren vor mir habe ich mir immer eingebildet „das sind sie“.
Am Ende des Tages: 100km, und ein nettes Hotel in Aalen. Heute brauche ich etwas Luxus zum Erholen… Good night!
Statistik
Brucken – Aalen (Hotel)
KM: 100,1km, Ø 13,0km/h
Zeit: 8:15-19:35, 7h40 in Fahrt
Höhe: +2300, -2260HM
Tag 6, Sonntag 2019-08-11
Foto diary
Story of the day: Emotions-Zyklus
Viele Langzeitreisende berichten vom Wechsel der Emotionen vor, während und nach der Reise. Auch wenn ich nicht monatelang unterwegs bin, erlebe ich ähnliches:
– Vor der Reise die Freude über das kommende.
– Je näher der Abreisetermin kommt, desto mehr Zweifel, ob alles rechtzeitig fertig wird, die Reise klappt, alle Probleme gelöst werden können. Und der Vorbereitungsstress, noch alles auf die Reihe zu bekommen.
– Die Euphorie, wenn die ersten Kilometer geschafft sind.
– Und die Freude über alles Neue.
– Die nächste Phase ist dann wohl gerade meine: Die Ernüchterung.
Die Anstrengung, sich auf alles einzustellen, die permanent wechselnde Umgebung, die Frage, wo bekomme ich was zu essen, wo kann ich schlafen. Der Verlust der „Heimat“, Familie und Freunde fehlen. Dazu bei den Radlern die körperliche Anstrengung, schmerzende Muskeln und andere Körperteile. Alles führt dazu, dass die Frage nach dem Sinn aufkommt. Und Gedanken ans Aufgeben, an den schnellsten Weg nach Hause.
Nicht anders geht es mir auch. Dazu kommen die Folgen des Sturzes und eine volle ToDo-Liste zu Hause. Ich schleppe mich so dahin, und wenn jetzt hier im Nirgendwo ein Zug mit Ziel Stuttgart stehen würde, wäre das wohl meiner. Nach einer längeren Pause ist aber zumindest wieder körperlich so viel Kraft da, dass es weitergehen kann, ohne dass ich dauernd absteigen muss. Und als ich dann spontan mit Gina, die auf dem Heimweg von Freunden in der Nähe meiner Route vorbeikommt, ein Abendessen verabrede, hält mich die Aussicht auf dem Rad. Zumal im Auto bei Gina noch Platz für mich und Rad wäre.
Und auch wenn der Gedanke beim Essen verlockend ist, das Rad einfach ins Auto zu schmeißen und mit Gina nach Hause zu fahren, sieht es geduscht und mit vollem Magen wieder besser aus. Die tollen Erlebnisse der letzten Tage zu erzählen und sich dadurch auch die positiven Dinge zu vergegenwärtigen, hilft bei der Entscheidung: „Morgen geht es weiter“.
Eine Entscheidung zu treffen, wenn es gerade mies läuft, war noch nie gut. Kraft sammeln, etwas Abstand gewinnen und dann objektiv die Optionen anschauen, ist allemal besser.
Full story – The extended Instagram diary
Nach fünft Tagen mit jeweils über 80 Kilometern machen mir meine Beine klar: Das war heftig. Zumal ich angesichts der noch folgenden unbekannten 1400km versucht habe, den Schnitt von 80km am Tag zu halten, für meine Verhältnisse also auch nicht langsam unterwegs war.
So war ich heute über die ersten 25km froh: größtenteils auf Asphalt und Teile davon entlang des Jagst-Radweges. Und damit topfeben 🙂 Aber nach Sightseeing in Ellwangen geht es mit Schotterwegen weiter und es wird wieder steiler. Eigentlich nichts wirklich heftiges, aber ich war ziemlich schnell im ersten Gang, und manchmal hat der nicht mehr gereicht. Absteigen und schieben. Alles schmerzt, die Muskeln vom Radfahren, Hüfte und Schulter vom Sturz. Und als dann auch noch mein USB-Lader am Nabendynamo streikt und nicht mehr lädt, ist der Saft alle (sowohl vom Handy, als auch meiner) und die Motivation auf Null. Gedanken kommen, „wieso will ich das eigentlich“, zu Hause gäbe es genug zu tun. Auch der Gedanke ans Aufgeben blitzt auf.
Nach einer längeren Pause habe ich wieder etwas mehr Dampf, und als ich das USB-Problem entdecke, wird die Motivation wieder etwas besser. Was mich dann antreibt ist die Aussicht auf die spontane Verabredung mit Gina zum Abendessen in Schillingsfürst, das Highlight für heute 😀..
Statistik
Aalen – Schillingsfürst (Hotel)
KM: 79km, Ø 14,0km/h
Zeit: 8:25-17:05, 5h40 in Fahrt
Höhe: +1300, -1220HM
Tag 7, Montag 2019-08-12
Foto diary
Story of the day: Versorgung
Schon 7 Tage vorbei. Oder eher „geschafft“?
Die Beschreibung auf Bikepacking.com hat ja versprochen „connecting existing biking and hiking trails to traverse Germany through sparsely populated areas“. Einen ersten Vorgeschmack habe ich heute bekommen. Die Route hat wirklich alles an Zivilisation konsequent umfahren. Da war ich froh, morgens noch ein paar Brötchen gekauft zu haben. Sonst hätten doch ein paar Müsliriegel herhalten müssen, nicht gerade mein bevorzugtes Mittagessen. Und die ganz einsamen Strecken kommen erst noch!
Wenn in der Zivilisation freue ich mich immer wieder auf meine Lieblings-Marschverpflegung: Eine Cola für die schnelle Kalorienzufuhr, und dann gemütlich ein Stück Kuchen (oder zwei) und einen Kaffee genießen. Kurz: 3C4C (= a coke, a cake, a coffe for a cyclist).
Lessons Learned: Essen einpacken und nicht drauf vertrauen, dass Manna vom Himmel fällt, wenn man gerade Hunger hat. Ansonsten schadet es ja mir auch nicht, die Fettverbrennung anzuschmeißen ;-).
Full story – The extended Instagram diary
Der Tag beginnt mit ein paar Reparaturen vor dem Frühstück. Nachdem zwei Finger immer wieder taub werden, polstere ich die Griffe zusätzlich, Kette wird geölt, …
Nach dem Motivationstief starte ich heute etwas gemütlicher, Wege und Pfade sind einfacher, und oft nutzt die Route kleine Straßen als Verbindung zwischen abgelegenen Häusern.
Nicht ganz so einfach ist die Versorgung mit genügend Kalorien. Entweder du nimmst, was du dabei hast, oder was unterwegs verfügbar ist. Cafes, Bäcker, Metzger, Restaurants, Supermärkte: Fehlanzeige. Also bleibt es bei den Brötchen aus Schillingsfürst und Marshmellow Fluff. Der einzige wiederverschließbare Brotaufstrich, der nicht im Glas kommt. Ich hör mich aber nicht meckern 😉 Der Verkaufsstand bei einem Bauern ist auch quasi leer, dafür gibt es genügend Friedhöfe für die Wasserversorgung.
Der Weg nach Erlangen führt mich über schmale Wege durch endlose Kiefernwälder, was den Mangel an Trails heute morgen mehr als kompensiert. Ein kleiner Umweg zu einem Bikeshop beschert mir ergonomische Griffe und endlich Kaffee und Kuchen.
Danach: ein schöner Trail entlang eines kleinen Baches zum Main-Donau-Kanal und dann die Altstadt in Erlangen. Heute ist die Übernachtung über Warmshowers geplant, und neben der warmen Dusche gibt es auch noch gemeinsam gekochte Pasta (Lecker!) und Tips für die nächsten Etappen. Danke für die Gastfreundschaft, das tolle Essen, den Schlafplatz und tolle Gespräche!
Statistik
Schillingsfürst – Erlangen (Warmshowers)
KM: 107km, Ø 15,7km/h
Zeit: 8:40-18:40, 6h45 in Fahrt
Höhe: +1200, -1400HM
Tag 8, Dienstag 2019-08-13
Foto diary
Story of the day: Hilfsbereitschaft
Die letzte Übernachtung verdanke ich der Hilfsbereitschaft meines Warmshowers-Hostes Holger, der wie viele andere weltweit Radfahrern auf Tour Übernachtung und Dusche bietet. Stories und Tips inklusive.
Beim Frühstück geht es genauso weiter. Ich sitze beim Bäcker und frühstücke, als der Bäcker aus der Backstube kommt und mein Rad sieht. Wir kommen ins Gespräch, Fragen zum Woher und Wohin, und tauschen Geschichten aus. Dann geht er wieder an seine Arbeit, und ich packe meine Sachen. Bevor ich fertig bin, kommt er wieder und drückt mir eine dicke Tüte in die Hand. Mein Mittagessen. Herzlichen Dank!
Und als ich abends gerade mein Zelt am Feldrand aufgeschlagen habe und der Besitzer mit dem Traktor kommt, erwarte ich schon Ärger. Aber statt dessen: Ein nettes Gespräch, ich helfe den Hochsitz aufzubauen und kann am nächsten Morgen von der Wildschweinsichtung berichten.
Schön zu sehen, dass es das in unserer westlichen Zivilisation noch gibt. Wenn ich Reiseberichte lese, habe ich oft das Gefühl, dass die Hilfsbereitschaft, zunimmt, je ärmer die Leute sind. Vielleicht, weil sie den Wert von gegenseitiger Unterstützung selbst erlebt haben und er Teil ihres Lebens ist. Und nicht wie bei uns die Unabhängigkeit so groß geschrieben wird und wir uns von gegenseitiger Hilfe freikaufen.
Full story – The extended Instagram diary
Wir schlafen etwas länger, dann packe ich meinen Krempel und los geht es. Mein Warmshowers-Gastgeber zur Arbeit und ich Richtung Bayreuth.
Zuerst aber: Frühstück bei der Bäckerei Frank, ein Tip von Joana: „Bester Bäcker in Erlangen“. War wirklich gut, draußen in der Sonne zu sitzen und mit dem Bäckermeister über meine Pläne und Radtouren im Allgemeinen zu diskutieren. Ein paar Minuten später kam er wieder aus der Backstube und gibt mir eine goße Tüte mit Back-Spezialitäten „wirst du brauchen.“
Und er hatte recht. Die ersten Kilometer ähnlich wie die letzten Tage, hügelig aber nie richtig steil, Felder oder Wald um mich rum, Schotterwege, kleine Nebenstraßen oder auch mal ein Trail. Die Felsen bei Walberla machen aber klar: Da kommt noch was auch mich zu.
So war es dann auch. Nachdem ich einige Zeit der Bahnstrecke durch das Wiesent-Tal folge, steigt die Route zum Schloss Neideck. Checkpunkt 2! Harte Arbeit, aber nette Trails, und eine tolle Sicht und der beste Platz, die Delikatessen von Bäcker Frank zu genießen. Danke!
Danach folge ich weiter der Wiesent, genieße die Ausblicke und schauen den Kajaks auf dem Fluss zu.
Anstrengender wird dann der letzte Teil entlang des Ailsbaches und über hügeliges Terrain nach Bayreuth. Zeit für eine Pause mit Kaffee und Kuchen und ein kleines bisschen Sightseeing durch die Altstadt mit Altem Schloss und dem Markgräflichen Opernhaus. Letzteres leider nur von außen, für eine Besichtigung des prachtvollen Innenraumes nehme ich mir nicht die Zeit. Und nach 90km bin ich auch nicht mehr so richtig Zivilisations-tauglich. Bayreuth ist aber definitiv nochmal eine Reise wert.
Nachdem es noch nicht so ganz spät ist, fahre ich nochmal 10km und finde einen ruhigen Platz an einem Feld. Ruhig, solange bis der Bauer mit Traktor einen mobilen Hochsitz direkt neben mein Zelt stellt, um auf die plündernden Wildschweine anzusitzen. Ich helfe beim Ausrichten des Hochsitzes, verspreche Buch zu führen über die Wildschweine. Wir werden sehen, wie die Nacht wird…
Statistik
Erlangen – Bayreuth (Biwak Feldrand)
KM: 100km, Ø 14,5km/h
Zeit: 8:00-18:45, 6h50 in Fahrt
Höhe: +1600, -1400HM
Tag 9, Mittwoch 2019-08-14
Foto diary
Story of the day: Grenzen
Vom Dreiländereck zwischen Frankreich, der Schweiz und Deutschland zum Dreiländereck zwischen Tschechien, der ehemaligen DDR und Westdeutschland. Ab jetzt bleibe ich in Grenznähe, mal auf deutscher, mal auf tschechischer Seite. Und später geht das gleiche Wechselspiel dann in Polen weiter. Die erste Übernachtung in Tschechien macht aber auch den Einfluss der Grenzen deutlich: Hranice liegt mitten im 3-Ländereck, nach der Wende jetzt von drei Seiten von Grenzen zu Deutschland umschlossen und nur durch einen schmalen Streifen mit Tschechien verbunden. Der Ort wirkt ausgestorben, kaum jemand unterwegs. Viele offensichtlich leerstehende und vernachlässigte Häuser, die langsam verfallen. Der Wirt erzählt, dass die meisten Leute Arbeit in Deutschland suchen, wo es bessere Löhne gibt. Und dadurch die Wirtschaft im Gebiet ausblutet. Dafür kommen Arbeitskräfte noch weiter aus dem Osten hierher, ebenfalls auf der Suche nach etwas besserem Verdienst. Ein hartes Los, wochenweise weg von der Familie für den Lebensunterhalt sorgen zu müssen.
Was geht es mir gut, dass ich nur so zum Spaß auf eine lange Radtour gehen kann.
Full story – The extended Instagram diary
Als ich zusammenpacke, kommt der Bauer mit seinem Hund vorbei. Ich kann genau berichten, wann (00:50) und wo die Wildschweine diese Nacht unterwegs waren. Dafür, dass sie sich hier direkt in der Nähe rumgetrieben haben, habe ich erstaunlich entspannt geschlafen.
Nach zwei Tagen in relativ flachem Gelände geht es Richtung Fichtelgebirge. Nach dem Kurpark Bad Berneck wird der Weg rauher und klettert durch das Ölschnitz-Tal hoch zur Burgkapelle Stein. Eigentlich wollte ich sie nur kurz von außen anschauen, bekomme aber Einlass von einem Einheimischen, der sich um die Kapelle kümmert. Daraus wird dann eine professionelle Führung durch 700 Jahre Geschichte der ehemaligen Burg.
Danach komme ich etwas schwer in die Gänge und mache nach nur 30km eine frühe Mittagspause am Waldstein, direkt nach der Besichtigung der alten Bärenfalle.
Nach der Pause geht es wieder besser, einige schöne Trails warten auf mich. Und mal wieder ein Plattfuß. Es rächt sich, dass ich vor der Tour nicht mehr auf Schlauchlos umgerüstet habe, so gibt es mit den leichten Reifen doch immer wieder Durchschläge durch das zusätzliche Gewicht am Rad. So komme ich immer näher an die tschechische Grenze und suche nach Hotel und Restaurant im ersten größeren Ort in Tschechien. Nicht so einfach. Viele Gebäude sind verlassen, der Ort ausgestorben. So bin ich froh, dass mich die einzige Pension im Ort aufnimmt obwohl eigentlich geschlossen. Und die Besitzer sogar noch etwas Suppe vom eigenen Mittagessen übrig haben.
Und morgen? Entweder direkt auf den Fichtelberg, höchster Punkt in Sachsen und höchster Punkt auf der TransGermany. Oder ein kleiner Umweg zum Trailcenter Rabenberg? Mal sehen…
Statistik
Bayreuth – Hranice (Pension)
KM: 79km, Ø 12,8km/h
Zeit: 8:00-17:50, 6h15 in Fahrt
Höhe: +1600, -1400HM
Tag 10, Donnerstag 2019-08-15
Foto diary
Story of the day: Eintauchen
Ich war mir ja nicht sicher, ob ich über Tage hinweg und bei jedem Wetter auf das Fahrrad als Transportmittel angewiesen sein will. Auf die begrenzte Transportkapazität und Reichweite.
Aber die Erfahrung aus Sardinien in 2018, wo ich mit Rad und Auto unterwegs war, verglichen mit der Transgermany in diesem Jahr, ist schon eine ganz andere: Das Auto erlaubt zwar Distanzen, die mit dem Rad nicht drin sind. Aber man sieht Landschaft und Leute nur durch eine Scheibe, alles zieht dahin wie im Fernsehen. Man riecht nichts, hört die Geräusche nicht. Die Leute sind viel distanzierter.
Mit dem Rad erlebt man viel intensiver. Man riecht, hört und manchmal schmeckt man auch. Taucht viel stärker ein, hat spontane Begegnungen am Wegesrand und bekommt viel schneller Kontakt, kann jederzeit anhalten. Das Tempo ist so, dass man auch verarbeiten kann, was man erlebt.
„Nur wo Du zu Fuß warst, bist Du auch wirklich gewesen.“ hat Goethe gesagt. Zugegeben, zu Fuß ist nochmal anders. Aber unsere Zeit ist ja doch ein kleines bisschen schneller geworden, und für mich ist jetzt im 21. Jhdt. das Radfahren die ideale Art der Fortbewegung, Land und Leute kennen zu lernen.
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Start in Hranice nach einem guten Frühstck im Garten. Noch etwas frisch, aber die Sonne scheint stärker zu werden. Wieder auf deutscher Seite fängt es aber an zu regnen, es wird empfindlich kalt. Zeit für eine frühe Pause und eine heiße Tasse Kaffee.
Nach dem Muldenberger See komme ich an den Kielfloßgraben, ein schmaler Kanal von 1630, der benutzt wurde um Scheitholz über Kilometer hinweg zu den Öfen der verschiedenen Industrien (u.a. Salinen, aber auch als Brennholz in größere Städte) zu bringen. Der Pfad entlang des Kanales steigt stetig mit 1% Steigung und bringt mich ohne Anstrengung auf 900m ins Skigebiet Mühlleithen. Es ist immer noch nicht trocken, und wenn es noch ein kleines bisschen kälter wird, fällt noch Schnee.
Ich folge der Grenze auf der Kammloipe, viele Stellen überraschend steil bergauf und bergab, bis ich auf den Stoneman Bike-Marathon treffe.
Eine weitere Tasse Kaffee und ich bin bereit für den letzten Ansteig zum Trailcenter Rabenberg, wo ich ein paar einfachere Trails probieren will. Wenn ich schon mal hier bin. Ich treffe auf den Trailbauer Marco beim Bike-Verleih, wir diskutieren unsere Bikepacking-Erfahrung und dann lasse ich mein Gepäck bei ihm für eine kurze Runde. Auch ohne Federung machen die Trails Spaß, die sich an die Natur angepasst zwischen Felsen und Bäumen hindurch winden. Selbst die bergauf-Strecken sind so angelegt, dass man die Steigung vergisst. Danke Marco für diese Trails!
Nachdem es kalt und nass werden soll, übernachte ich im Sportpark und hoffe auf wärmere Temperaturen.
Statistik
Hranice – Rabenberg (Sporthotel)
KM: 66,6km+7,9km Trailcenter, Ø 13,5km/h
Zeit: 9:15-17:40, 5h30 in Fahrt
Höhe: +1400, -1080HM
Tag 11, Freitag 2019-08-16
Foto diary
Story of the day: Wetter
Sonne und Wolken wechseln sich ab, immer wieder werde ich nass. Und wenn es nicht von oben nass ist, dann von innen: auch die Steigungen haben es in sich. Leider trocknen die Klamotten nicht annähernd so schnell, wie ich es mir wünschen würde. Auch die Temperaturen sind jetzt nicht so richtig geeignet, trotz Regen einfach stundenlang weiter zu fahren. So schaue ich, dass ich die Möglichkeiten zum Aufwärmen und Trockenlegen nutze, die sich anbieten. Auch wenn vielleicht die gefahrene Strecke noch keine Pause verlangt. Auf dem Fichtelberg hat dann aber alles zusammengepasst: Eklig kalt, durchnässt, und dann noch einiges an Höhenmetern ohne Pause in den Beinen. Und ein gut geheiztes Lokal, in das ich so nass rein kann. Zum Glück hatte ich vorher keine schlammigen Trails zu fahren, sonst wäre aus der Wasserspur durch die Gaststube eine Schlammspur geworden. Und neben meinem üblichen Radlergedeck habe ich mir erstmal eine alte Zeitung bestellt, damit der Polsterstuhl trocken bleibt. Soviel Rücksicht muss sein 🙂
Bei so einem Tag wächst der Respekt vor denen, die irgendwo in den Polarländern bei Minus-Temperaturen unterwegs sind, oder im Skandinavischen Regenwetter. Oder der unbarmherzigen Sonne der Wüstengebiete. Jeder hat so seine Schwelle, was er verträgt und zu ertragen bereit ist.
Und jetzt, als ich die Zeilen schreibe (Mai 2020, 9 Monate später) wundere ich mich beim Lesen des Tagebuches, wie oft es geregnet hat. Irgendwie hat das die Erinnerung ausgeblendet, oder in die Kategorie „nicht so schlimm“ einsortiert. Auch das hilft vielleicht beim nächsten Regen, ihn einfach zu ignorieren.
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Langer Tag, kurze Geschichte. :-/
Regen beim Aufstehen, immer noch am Nieseln als ich auf einem der einfacheren Trails des Trailcenters starte, der mich zurück zur Strecke des BTG bringt. Tolles Licht durch Sonne, Wolken und Regen, während ich langsam Höhe gewinne Richtung Fichtelberg, mit 1215m höchster Punkt der TransGermany. Auf der Passstraße stoße ich an der Grenze auf einen Rennradler mit kleinem Gepäck, von Nordddeutschland auf dem Weg gen Italien. Seine Kilometerleistung ist eine andere, 3 Tage ist er erst unterwegs. Ich komme oben nass und kalt an, nichts was eine Cola, ein Stück Kuchen und ein Kaffee nicht beheben könnten, bevor es auf die Abfahrt geht. Teile verlaufen entlang der alten Bobbahn, auf anderen werden OffRoad-Roller verliehen, mit denen man sich ins Tal stürzen kann (und per Bahn wieder hochkommt.
Die Sonne versucht durchzubrechen, im Tal liefere ich mir ein Rennen mit einer Dampfeisenbahn. Bezeichnenderweise kommt sie zuerst an der Haltestelle „Niederschlag“ an, und gleichzeitig beginnt es zu regnen.
Irgendwo hier: Halbzeit. Wie gestern auch folgt der Track dem Kammweg, pendelt immer wieder über die Grenze. Tolle Aussichten, Landschaften und Trails inklusive. Zum Beispiel der Hirtstein oder das Kühnheider Moor.
Kurz vor Schließung erreiche ich noch den Bike Shop Pulsschlag in Olbernhau, kaufe ein bisschen ein (Bar Tape für die Griffoptimierung, und Sixtus Creme für den anderen Kontaktpunkt zum Rad) und wir versuchen, das Knarzen zu lokalisieren. So komme ich recht spät in Seiffen an und habe Probleme, eine Unterkunft zu finden. Der Goldwing-Club Sachsen hält sein jährliches internationales Treffen ab, ich fahre weiter. Hinter Seiffen finde endlich was, 95km, für heute reicht es.
Statistik
Rabenberg – Seiffen (Hotel)
KM: 95km, Ø 13,2km/h
Zeit: 8:30-19:25, 7h10 in Fahrt
Höhe: +1900, -2040HM
Tag 12, Samstag 2019-08-17
Foto diary
Story of the day: Nordwärts
Auch wenn Bad Schandau noch nicht der östlichste Punkt auf der Tour ist, knickt die Route jetzt deutlich gen Norden, nachdem ich bisher der Diagonalen vom äußersten Südwesten immer Nordöstlich bis hierher gefolgt bin. Und nachdem ich gestern die Hälfte der Strecke geschafft habe, kommt so langsam das Gefühl „Ich kann es schaffen“. Nach dem Tief am 6. Tag läuft es recht gut, ich finde meinen Rhythmus. Vielleicht hilft auch die Hoffnung, dass jetzt nach dem Erzgebirge die Landschaft etwas flacher wird? Ganz egal, ich will jetzt auf jeden Fall durchkommen, Gedanken ans Aufgeben gibt es nicht mehr. Auch wenn noch einiges an Kilometern auf mich wartet, irgendwas im Antrieb knackst, die Elektronik immer mal wieder Lade-Probleme hat (trotz diverser neuer Ladekabel). Egal, die Probleme schaue ich mir an, wenn sie akut werden. Vorher schaue ich, dass sie nicht akut werden, und sollte es denn so sein, werde ich eine Lösung finden.
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Spätes Frühstück nach ein paar Reparaturen (es knackst immer noch, eventuell der Freilauf? Hoffentlich hält er durch. Und nochmals mehr Polsterung auf den BarEnds, mir schlafen immer noch die Pfoten ein. Komischerweise nicht beim Fahren, sondern abends danach).
Die ersten 40km sind schnelles Rollen, gemütlich hoch auf den Köhlberg und dann zum Rauschenbach-Damm hinab. Beim Fotostop auf dem Damm fährt eine Rennradlerin an mir vorbei, die der jungen Frau beim Frühstück am Nebentisch ähnelt. Aber mit Helm und Tempo nicht zu erkennen.
Am Neugrabenflöß (wieder ein Flößergraben, nochmals älter, diesmal um 1400) geht es wieder aufwärts, direkt auf der Grenze, und dann entlang der stillgelegten Bahnstrecke nach Neu-Rehefeld. Am Lugstein erreiche ich den höchsten Punkte für heute und treffe da auch die Rennradlerin wieder, dann zum dritten Mal wie sich herausstellt, sie hat bessere Augen als ich ;-). Sie ist auf dem Stoneman Miriquidi unterwegs, der Straßenvariante des Stoneman, an der sich ganze Gruppen ihr Ego abarbeiten :-). Auf den nächsten 35km durch Tschechien sind keine Orte zu erwarten. Also nochmal eine Pause, 3C4C. 🙂
Die nächsten Kilometer verlaufen auf einer Hochebene, ein ehemaliges Minengebiet. Tolle Blicke, aber keine Trails. Nach 40km geht es dann aber los, das Gelände wird rauher und abwechslungsreicher. Sandige, flowige Trails ab Adolfov, und dann steinige Pfade durch den Wald und über Felder.
In Tisa, immer noch in Tschechien, kommen die ersten Sandsteinfelsen in Sicht, die ich noch von unserem Familien-Urlaub im Erzgebirge kenne. Bald ist Sandstein auch auf den Trails zu finden, macht den Anstieg zum Katzenfelsen nicht einfacher. Checkpunkt 3 ist erreicht!
Und dann: Bad Schandau. Einiges erkenne ich wieder von unserem Urlaub vor Jahren, suche mir ein Hotel (ihr wisst schon, die Wettervorhersage… ich verweichliche) und dann geht es Pizza essen. Unterhalte mich länger mit einem radfahrenden Ehepaar am Nachbartisch über Gott und die Welt, und übers Radfahren.
Statistik
Seiffen – Bad Schandau (Pension)
KM: 91,1km, Ø 13,7km/h
Zeit: 8:50-17:50, 6h40 in Fahrt
Höhe: +1200, -1840HM
Tag 13, Sonntag 2019-08-18
Foto diary
Story of the day: Flachland
Die Hälfte der Strecke habe ich vorgestern überschritten, seit gestern zeigt die Route nach Norden. Heute der nächste Meilenstein: Es geht ins Flachland. Bisher war ich immer in mehr oder weniger bergigem Gelände unterwegs. Schwarzwald und Schwäbische Alb kenne ich schon von anderen Touren, das Erzgebirge kannte ich von unserem Familienurlaub. Und habe damit eine grobe Vorstellung, was auf mich zukommt.
Und als ich dann heute auf dem Hochstein stehe und sich nach Norden eine komplett ebene Fläche ausbreitet, sind die Berge erstmal vorbei. Auch nach Höhenprofil sollten sich die Steigungen jetzt deutlich reduzieren. Bin gespannt, wie sich das auf meine weitere Tour auswirkt.
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Der Elbe-Radweg ist noch leer, als ich um 8:50 losfahre, zurück auf den Track. Kein Wunder: nasse Straßen, wolkig und ein paar Regentropfen.
Langsam gewinne ich Höhe zurück, entlang der Bahntrasse durch das Sebnitz- (aktiv) und Schwarzbach-Tal (stillgelegt). Es geht durch Wald und Felder, und als ich die 1000km Marke überquere bin ich wieder in Tschechien. Kurze Pause an einem Weiher, die Sonne scheint endlich!
Kleine Straßen wechseln sich mit Schotter und Trails verschiedener Qualitäten ab. Speziell der Weg zum Bieleboh macht Spaß, von seinem Turm kann ich Richtung Norden schauen und es sieht aus, als ob es flacher wird. Aber wann?
Erst nach dem Aufstieg zum Hochstein zeigt sich eine große, komplett flache Ebene. Ich genieße das lockere Rollen durch kleine Ortschaften, Felder, Heide und Wald in der Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft. Teile dieser geographischen Region gehören zu Polen, deswegen die zweisprachigen Wegweiser. Auch viele Wahlplakate sind zweisprachig
Der Kohletagebau hat viele Seen hinterlassen, die mich zum Campen einladen, aber dunkle Wolken und ein schneller Blick auf die Wetter-App sagen Gewitter voraus, so fahre ich notgedrungen weiter, erst in Bad Muskau finde ich ein freies Zimmer. Ankunft 20:00, 125km. Dusche, Essen mit Spaziergang durch den Kurpark, ich habe Glück, dass die Pizzeria mir noch was macht, und dann geht es ins Bett.
Statistik
Bad Schandau – Bad Muskau (Hotel)
KM: 125km, Ø 15,3km/h
Zeit: 8:50-19:50, 8h10 in Fahrt
Höhe: +2100, -2040HM
Tag 14, Montag 2019-08-19
Foto diary
Story of the day: Unterkunft
Hotel, Pension, Warmshowers, Campingplatz, Biwak. So langsam habe ich alle Arten der Übernachtung durch. Und frage mich: Wieviel Komfort brauche ich?
Ich weiß, dass ich draußen schlechter schlafe, zu ungewohnt die Nähe zur Natur und die Geräusche. Vielleicht gibt es einen Gewöhnungseffekt? Und ich weiß auch, dass ich keine Lust auf Zelten bei Regen habe. Oder generell eigentlich Regen 😉 Das Gepäck wird natürlich auch etwas umfangreicher. Mit Schlafsack, Isomatte, Zelt sowie Essen und Kocher kommt da schon was zusammen, was dem Fahrspaß nicht zuträglich ist. Andererseits ist es auch toll, abends noch draußen zu sitzen, dem Sonnenuntergang zuzuschauen und den Sternen. Und ich habe die Freiheit, meine Etappen frei zu planen, bin nicht angewiesen auf Hotels oder Pensionen.
Auch die Warmshowers-Erfahrung war wieder toll, die Gastfreundlichkeit und der Kontakt sind immer wieder inspirierend. Aber ich merke auch, dass ich mich einschränke und anpasse, um dem Gastgeber nicht zu viel zur Last zu fallen. So kann ich nicht meinen Rhythmus leben, den ich zur Erholung brauche.
Hotel? Rundumservice, aber halt nicht überall verfügbar. Und statt Zelt und Essen ist es nur eine „zivile“ Garnitur Wäsche, die in den Rucksack muss.
Die Mischung macht es? Alle Freiheiten, jederzeit das zu wählen, was gerade passt. Maximale Flexibilität. Aber auch maximales Gepäck.
Für das nächste Mal? Vielleicht bleibt die „Küche“ zu Hause und es gibt Essen im Restaurant, um dann anschließend weiter zu fahren für ein Biwak? Dann muss nur etwas zum Picknick mit. Wenn ich dann noch ohne Angst vor wilden Tieren (Siebenschläfer und so) ohne Zelt schlafen lerne, kann ich den Ballast weiter reduzieren. Mal sehen, was ich mache. Da muss jeder seinen Weg finden.
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Nach den Gewittern der Nacht tropft alles, ich bin froh drinnen geschlafen zu haben. Als ich starte tropft es immer noch, und statt der Schlossbesichtigung geht es direkt durch den Pückler Park und nach Polen. Die ganze Anlage ist UNESCO Weltkulturerbe und bestimmt mehr Zeit wert.
Nach dem Park verläuft der Weg die nächsten 30km direkt am Grenzfluß Neiße entlang. Manchmal sandig, mal Kopfsteinpflaster oder auch Betonplatten. Nichts, um gemütlich so dahinzurollen.
Vor dem Ort Brozek fahre ich durch überwucherte Ruinen mitten im Wald. Eine Munitionsfabrik der Deutschen aus dem 2. Weltkrieg. Kilometerlang passiere ich zerfallene Gebäude, zugewachsen nicht vom Alter, sondern um sie im Krieg vor den Luftangriffen zu verbergen. Dunkle Zeiten Deutscher Geschichte.
Einen heftigen Regenguss sitze ich mit Keksen in einer Bushaltestelle aus, fahre wieder nach Deutschland und in Forst Lausitz besorge ich mal wieder ein neues Ladekabel für das Handy (mittlerweile vermute ich, dass das an/aus des Nabendynamos bei niedrigem Tempo Spannungsspitzen verursacht und den Kontakt überlastet. Sagen zumindest die dunklen Verfärbungen am Kontaktstift) und Öl für die Kette.
Die nächsten Kilometer sind einfach, entlang der Neiße auf dem asphaltierten Radweg bis Grießen. Hier kann ich in das Tagebaugebiet von Jänschwalde schauen (Checkpoint 4). Ungeachtet jeder Klimadebatten ist es beeindruckend, die riesigen Maschinen und die Größe der Erdbewegungen zu sehen. Pause, die nassen Sachen trocknen in der Sonne, die mittlerweile rausgekommen ist.
Jetzt folgen viele Kilometer Sandwege und gelegentlich mal Kopfsteinpflaster durch Kiefernwäder und Heide. Das meiste fahrbar, aber manche tiefsandige Stelle zwingt mich überraschend aus dem Sattel. Aber man fällt ja weich.
Von der Anstrengung erhole ich mich bei einem Bad im Schwansee direkt vom Trail runter, fühle mich erholt und fast sauber danach.
Die nächsten Kilometer suche ich nach einem Biwak-Platz, aber die Schilder, die die Hundehalter vor den Wölfen warnen, überzeugen auch mich einen anderen Platz zu suchen. Auf dem offiziellen Campingplatz in Beeskow direkt an der Spree schlage ich mein Zelt auf.
Statistik
Bad Muskau – Beeskow (Campingplatz)
KM: 115,6km, Ø 16,2km/h
Zeit: 8:35-18:45, 7h10 in Fahrt
Höhe: +400, -500HM
Tag 15, Dienstag 2019-08-20
Foto diary
Story of the day: Wasser
Was wir in Stuttgart ja überhaupt nicht gewöhnt sind: Seen. Und davon gibt es hier viele. Die Trails am 66-Seen-Wanderweg machen richtig Spaß, und laden immer mal wieder zu einem Bad ein. Wenn man nicht gerade auf dem Weg zum gebuchten Hotel ist, dessen Küche in absehbarer Zeit schließt.
Was ich aber auch nicht gewöhnt bin und was den Wassergenuss massiv schmälert: Zwei von meinen drei Wasserflaschen sind nebeneinander montiert und liegen direkt in Schusslinie des Vorderrades. Ich will gar nicht wissen, was da alles von der Straße hochgewirbelt wird und sich dann am Nuckel sammelt. Und leider nicht nur am, sondern auch im. Die ansonsten hervorragenden Camelbak Flaschen sammeln so ungefähr einen Fingerhut voll Dreck im Nuckel, der auch freiwillig nicht rausgeht. Hätte ich mal eine Probetour gemacht 😉
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Ein Morgen ohne Regen! Nur Tau! Ich genieße den Komfort der Picknick Bank beim Kaffee trinken (auch wenn es nur Pulver-Kaffee ist), packe meinen Krempel und bin unterwegs. Ein kleiner Umweg durch den Ort, entlang der Stadtmauer und zum Schloss, und dann bin ich wieder on track.
Die ersten 10 Kilometer zur Zugbrücke in Neuhaus sind wieder sandig, dann geht der asphaltierte Radweg parallel zum Oder-Spree-Kanal los, der mich fast bis Fürstenwalde bringt. Zeit für ein zweites Frühstück, diesmal mit richtigem Kaffee.
Danach folgen für einige Kilometer Schotterstrecken zwischen Müggelspree und Kanal. So verpasse ich fast den natürlichen Pfad entlang der Löcknitz, eine nette Abwechslung nach all dem Schotter und Sand. Und auf Trails geht es weiter, entlang der ganzen Seen bis zum Kalksee, meist zwar mit Schotter befestigt, aber genug Kurven, Löcher und Rinnen damit es richtig Spaß macht. Nach einem kurzen Asphalt- und Schotterstück bis Eggersdorfer nochmal eine Pause. Nach 90km ist die große Frage: Wo schlafen. Ich brauche diese Nacht ein bisschen Komfort und die nächsten Hotels auf der Route sind entweder noch 15 oder 40km weit weg. Und verlaufen weiterhin auf Trails entlang der Seen, also auch kein einfaches Strecke machen. Die Entscheidung: Wenn ich vor 17:00 den Abzweig zum ersten Hotel erreiche, rufe ich das zweite Hotel an und frage nach einem Zimmer.
17:03, das passt noch. Hotel hat ein Zimmer, allerdings ist die Küche nur bis 20:00 offen, und duschen will ich auch noch. Wenn die Wege so anspruchsvoll bleiben, wird das eng. Aber los geht es!
Jetzt beginnt ein Feuerwerk an Trails auf dem 66-Seen Wanderweg. Kurvig, häufig direkt an einem der Seen entlang, hoch und runter, Wurzeln, umgestürzte Baumstämme, Treppen. Alles was das Fahren spaßig macht. Und Zeit kostet. Fast zwei Stunden brauche ich und sitze kurz vor 8 nach der Dusche am Tisch auf der Terrasse im Hotel in Niederfinow. Perfekt.
Statistik
Beeskow – Niederfinow (Hotel)
KM: 128,2km, Ø 16,2km/h
Zeit: 8:35-18:50, 8h00 in Fahrt
Höhe: +300, -350HM
Tag 16, Mittwoch 2019-08-21
Foto diary
Story of the day: Endspurt
Noch 230 Kilometer. Zwei Tage. Jetzt sollte eigentlich nichts mehr dazwischen kommen. Oder? Größere körperliche Beschwerden hatte ich nicht, wenn man von dem Sturz absieht. Ist aber verheilt. Und die Finger, die jeden Abend taub sind, komischerweise beim Fahren aber wenig Probleme machen.
Und die Technik? Viele Plattfüße. Verbogene Bremsscheibe. Der Freilauf macht mir Sorgen, läuft aber seit dem Ölbad. Und das Handy? 3 Neue Ladekabel habe ich unterwegs gekauft, die aber auch nicht lange problemlos funktioniert haben. Seit ich nur noch über PowerBank oder am Netz lade, ist es etwas besser geworden. Und die zwei Tage muss es jetzt einfach funktionieren. Aber für das nächste Mal brauche ich eine andere Möglichkeit, das Handy während der Fahrt wasserdicht zu laden. Mal sehen, was da der Markt hergibt.
Full story – The extended Instagram diary
Der Tag beginnt mit Sonne, die versucht durch den Nebel zu brechen. Und mit einem Plattfuß nach dem Frühstück. Ein Glück hat das gestern noch gehalten, sonst wäre es mit meinem Abendessen eng geworden. Eine andere „Reparatur“ von vorgestern scheint zu funktionieren: Der Freilauf ist mehrfach durchgerutscht, und das Baden aller Lager in Öl war bisher erfolgreich. Ich hoffe, es hält bis Rügen.
Nach 500m der erste Sightseeing Stop: Das Schiffshebewerk Niederfinow, gebaut 1927 bis 1934, das Schiffe von der Oder um 36m auf das Niveau der Havel hebt.
Nächster Stop: Kloster Chorin. Dazwischen: entweder tiefer Sand, der die Beine malträtiert, oder grobes Kopfsteinpflaster, das auf Rückgrat und Rückseite einprügelt. Und dazu: Erstaunlich viele Hügel. Das Gebiet ist durch Gletscher geformt und heißt nicht umsonst „Hügel von Chorin“. Zum Glück umfahre ich die Mörder-Berge am Ufer des Grimnitz-Sees. Auch wenn die Höhenmeter nicht beeindruckend sind, in Kombination mit dem anstrengenden Untergrund durchaus zehrend.
An einem kurzen Stop zwischen zwei Holzstapeln im Wald eine aufregende Überraschung: Als ich meinen Energie-Riegel gegessen habe und die ersten 2 Meter gefahren bin, brechen ungefähr 20 Wildschweine in wilder Flucht über den Weg. Unbemerkt voneinander haben wir nur 10m entfernt in Ruhe Pause gemacht. Hätten sie mich umgerannt, wenn ich ohne Pause zwischen den Holzstapeln durchgefahren wäre?
Am Wucker See gibt es mal wieder ein paar schöne flowige Singletrails, eine willkommene Abwechslung.
Dann wieder Sandwege zum Hangar in Neu-Dölln, hier habe ich Checkpunt 5 erreicht. Und weiter auf Sand zur Kannenburger Schleuse. Und entlang der Havel. Und durch die Schorfheide nach Himmelpforte. Der tiefe Sand saugt alle Kraft aus den Beinen!
Hinter Himmelpfort (mal wieder ein Plattfuß) reihe ich mich in die Scharen der Tourenräder auf einem der vielen Fernradwege ein, die sich in Himmelpfort kreuzen.
Ich fahre an Fürstenbeg vorbei weiter nach Norden bis Prälank, kehre auf dem Weg zum Hotel in einem Restaurant ein und hoffe, dass sowohl ich als auch das Handy (wieder mal Lade-Probleme) die letzten 230km durchhalten. Wenn alles gut geht noch zwei Tage bis zum Kap. Durch die Etappen mit über 100km in den letzten Tagen bin ich schneller als gedacht. Aber das passt gut, dann kann ich noch die Verwandtschaft besuchen und Joanas Studienarbeit von Holland mit nach Hause nehmen und pünktlich am Prüfungsamt abgeben 🙂
Statistik
Niederfinow – Prälank (Hotel)
KM: 112,8km, Ø 14,5km/h
Zeit: 8:30-19:30, 7h45 in Fahrt
Höhe: +440, -380HM
Tag 17, Donnerstag 2019-08-22
Foto diary
Story of the day: Enttäuschung. Und Euphorie.
Der Emotions-Zyklus geht in die vorletzte Runde. Nach dem Motivationstief hat sich ein Rhythmus und eine Zufriedenheit eingestellt. Glücklich, unterwegs zu sein. Vertrauend, alle Probleme zu lösen.
Und jetzt, am Abend des vorletzten Tages? Kurz kommt die Enttäuschung, dass es bald vorbei ist. Die verschwindet aber auch schnell beim Gedanken an zu Hause, wieder bei der Familie zu sein. Und die Freude, fast am Ziel zu sein. Die Gedanken an die letzten Tage und Wochen, an die vielen Geschichten, die ich erzählen kann. Die Euphorie, morgen nochmal alles zu geben, bis ich am Kap stehe.
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Blauer Himmel, keine Wolke in Sicht. Und einfache Wege, gut befestigt oder asphaltiert (aber auch ein bisschen Kopfsteinpflaster und Betonplattten, und als Ausgleich ein paar schöne Trails). Als ob die Wege sich für den Sand gestern entschuldigen wollen. Oder um mir zu sagen: „Gib Gas, bald bist du da!“.
Einige Impressionen:
* Die Quelle der Havel
* Alte Geräte an einer Scheune in Friedrichsfelde
* Betonplatten auf dem Weg nach Voßhagen
* Der Kummerower See, an dem sich der Weg an der Küste entlang schlängelt
* Am Nordende des Sees eine Fähre über die Peene (Fahrtdauer 30 Sekunden, und der Preis hängt ab vom Gepäck und Art des Rades. 😁Deutsche Gründlichkeit und Gerechtigkeit auf die Spitze getrieben.
* Rekultivierung der Polder am Kützerhofer Damm
* Zugbrücke in Nehringen
* Und endlich: Stralsund. Rügen in Sichtweite!
Noch 70km zum Kap! 😀
Und wenn ich übermorgen zur Verwandtschaft bei Lübeck will, sollte ich auch morgen wieder von Rügen runter und in Stralsund übernachten, damit ich einen frühen Zug bekomme. Das gibt einen langen Tag!
Statistik
Prälank – Stralsund (Hotel)
KM: 143,7km, Ø 18,6km/h
Zeit: 8:50-18:10, 7h45 in Fahrt
Höhe: +300, -350HM
Tag 18, Freitag 2019-08-23
Foto diary
Story of the day: Geschafft.
So ganz kann ich es noch nicht fassen. 18 Tage, fast 1800km. Quer durch Deutschland. Auf einer Route, die häufig nicht den einfachsten Weg nimmt. Wenn ich mir dann vor Augen führe, dass die Schnellsten des BTG-Rennens die Strecke in gut 5 Tagen schaffen, ist das eine schier unmenschliche Leistung. Aber ein bisschen tun sie mir leid, die Teilnehmer. Mal ganz abgesehen davon, dass mein Leistungsniveau auf einem anderen Level ist, sind mir die Begegnungen und das Genießen der Landschaft zu viel wert, als das ich da einfach nur durchrasen will. Vieles habe ich gesehen, was vielleicht später nochmal einen eigenen Urlaub wert ist. Und viele erlebt, worüber ich Geschichten erzählen kann.
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Letzter Tag, und die Strecke packt nochmal alles aus. Straßen, Radwege, Schotter, Sand, Kopfsteinpflaster, Betonplatten, eine Fähre und Trails entlang der Steilküste. Dazu tolle Aussichten über den Strelasund, der Blick zurück nach Stralsund, von der Wittower Fähre oder vom Kliff an der Nordküste. Nicht zu vergessen die Begegnungen. Zum Beispiel der nackte Radfahrer (nackt, bis auf den Helm) auf dem Küstenradweg. Vielleicht kam er vom Schwimmen und hat seinen Helm als Schwimmhilfe genutzt? Oder das Paar auf dem Rennrad, die von Leipzig per Rad nach Rügen gefahren sind und die mich auf dem Rückweg eine Weile in die Mitte genommen haben.
Es bleiben viele Gedanken an 1770km quer durch Deutschland, die mich noch eine ganze Weile begleiten werden.
Statistik
Stralsund – Kap Arkona – Stralsund (Hotel)
KM: 74,4km+63,2km Rückweg, Ø 19,2km/h
Zeit: 8:30-13:05+13:5-18:25, 3h55+3h15 in Fahrt
Höhe: +150+110, -110-150HM
Macht in Summe: 1770+65=1835km
Tag 18+1, Samstag 2019-08-24
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Frühstück gibt es in der Fußgängerzone, und dann starte ich per Bahn nach Lübeck. Viele Radfahrer, es ist eng. Beim Umsteigen Verwirrung, ob der Anschlusszug kommt. Er kommt nicht. Mit einer französischen Familie auf Radtour entlang der Ostsee teile ich auf dem Bahnsteig unsere Vorräte, bis endlich der nächste Zug kommt.
Das Treffen mit Jana in Lübeck fällt krankheitsbedingt aus, dafür gibt es in Reinfeld leckeren Kuchen (Danke Helga und Klaus), in Voßkathen sitzen wir gemütlich und trinken was (Danke Rudi, Katrin und Marc) und dann fahre ich weiter nach Poggensee. Lange sitzen wir noch nach dem Abendessen und schnacken, danke Ingrid und Dieter!
Tag 18+2, Sonntag 2019-08-25
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Mit einem Abstecher über Hamburg nehme ich die Bahn nach Bremen und habe einen schönen Abend mit Thea und Uwe. Danke! Ja, die Verwandtschaft ist groß und gastfreundlich 🙂
Tag 18+3, Montag 2019-08-26
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Nach dem Frühstück fahre ich in Bremen noch zu einem geschäftlichen Kennenlern-Termin (nicht ganz business-like in nicht mehr ganz frischem Trekking-Klamotten, ist mir aber wichtig) und dann per Bahn nach s’Hertogenbosch. Joana studiert hier seit ein paar Wochen und wir sind schon etwas neugierig, wo sie untergekommen ist 🙂. Passt alles, sie fühlt sich wohl und hat tolle Vermieter.
Per Rad geht es rein in die Stadt zum Essen, an den Rad-Verkehr muss man sich erstmal gewöhnen. Großzügige Radwege überall, angstfrei fährt man und die Autofahrer passen auf. Ganz neu für mich, den Stuttgarter Verkehr gewöhnt. Beim Essen diskutieren wir noch über alles mögliche, und dann geht es zum letzten Mal auf die Luftmatratze, diesmal in Joanas Studentenbude.
Tag 18+4, Dienstag 2019-08-27
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Dienstag vor drei Wochen bin ich in Stuttgart aufgebrochen, und heute geht es nach Hause. Erstmals nach drei Wochen wieder im Auto (das Joana zum Umzug genutzt hat und seitdem in Holland steht). Statt 2 Gaspedalen gibt es nur eines, und trotzdem geht es überraschend mühelos heimwärts.
So schön es ist, unterwegs zu sein und Gechichten zu erleben. Wieder zu Hause zu sein und die Familie in den Arm zu nehmen, will ich nicht missen.